In Memoriam

Professor Dr. Peter Schäfer, 1931-2016

Am 29. Februar 2016 ist Professor Dr. Peter Schäfer im Alter von 84 Jahren verstorben. Er war bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1996 ordentlicher Professor für Neue Geschichte mit dem Schwerpunkt Geschichte Nordamerikas an der Friedrich-Schiller-Universität.

Nachruf

Amerikanische Geschichte jahrzehntelang als nicht-ideologisierte Wissenschaft in der ehemaligen DDR betrieben zu haben, wirkt im Nachhinein fast wie ein Widerspruch in sich. Peter Schäfer war es gelungen, sich ihm in seiner langjährigen Tätigkeit in Forschung und Lehre immer wieder erfolgreich zu stellen. Ohne eine Zugehörigkeit zum DDR-Reisekader war es ihm bis zum Fall der Mauer nicht vergönnt gewesen, die für den Nordamerika-Historiker so relevanten Primärquellen vor Ort einzusehen. Erst die Wende und seine kurz zuvor erfolgte Berufung zum außerordentlichen Professor versetzten ihn in die Lage, die einschlägigen Archive in Washington, D.C. im Rahmen eines vom dortigen Deutschen Historischen Institut gesponsorten zweimonatigen Forschungsaufenthaltes aufzusuchen. In diesem Zeitraum hatte ich als damaliger Wissenschaftlicher Mitarbeiter dieses Instituts die Gelegenheit, ihn kennen zu lernen. Seitdem waren wir einander, auch über große Entfernungen hinweg, freundschaftlich und beruflich verbunden geblieben.

Am 4. März 1931 in Berlin geboren, studierte Peter Schäfer von 1949 bis 1953 an der Humboldt-Universität, unter anderem bei dem Mediävisten Fritz Rörig, dem Frühen Neuzeitler Gerhard Schilfert sowie bei Alfred Meusel, der u.a. auch zur Englischen Revolution publizierte und dem Schäfer ein bleibendes Interesse an der Französischen Revolution verdankte.

1960 promovierte er dort mit einer Dissertation über Die Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten zwischen 1933 und 1939, unter besonderer Berücksichtigung der handelspolitischen Beziehungen und der Boykottbewegung in den Vereinigten Staaten, was bereits einen gewichtigen Schwerpunkt seiner künftigen Arbeit kennzeichnete. In seiner anschließenden Tätigkeit als Wissenschaftlicher Assistent und Oberassistent am Institut für Allgemeine Geschichte/Abteilung Neuzeit derselben Hochschule entstanden Arbeiten zur deutschen Agrargeschichte der Frühen Neuzeit, zur Berliner Universitätsgeschichte und zur Neuesten Geschichte der Vereinigten Staaten.

Die ersten Publikationen nach dieser Qualifikationschrift konzentrierten sich dabei einerseits auf die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und ferner auf die amerikanische Innenpolitik der Franklin D. Roosevelt-Administration, insbesondere den New Deal. 1963 wechselte Peter Schäfer dann zur Alma mater Jenensis, wo er “Wahrnehmungsdozent” bzw. Dozent für Allgemeine Geschichte der Neuzeit und der Neuesten Zeit am Historischen Institut bzw. der entsprechenden Sektion unserer Universität wurde; eine Tätigkeit, der er bis 1989 nachgehen sollte. Innerhalb dieser Zeitspanne – seit 1976 – gelang es ihm, die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Geschichte der USA an der Sektion Geschichte der FSU zu bewerkstelligen.

Neben einer engagierten und renommierten Lehr- und Aufbautätigkeit waren vielfältige Arbeiten zur Geschichte der USA zwischen 1914 und 1945, zur Geschichte der amerikanischen Präsidenten und der landeseigenen Historiographie die Produkte dieser Schaffensperiode. Mit seiner gesonderten Promotion (B) über Grundlagen und Ergebnisse der Reformpolitik Woodrow Wilsons von 1913-1920 schuf er die zusätzlichen Voraussetzungen für die Berufung auf eine Professur. Die ihm gebührende wissenschaftliche und persönliche Anerkennung durch die Ernennung zum außerordentlichen Professor an der Friedrich-Schiller-Universität kam gleichwohl erst kurz vor der Wende zustande. Nach all den Jahren der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Geschichte der Vereinigten Staaten erfolgte dann 1990 der erste persönliche Besuch dieses Landes. Noch im selben Jahr erschien ein Nachschlagewerk mit handbuchähnlichem Charakter – Die Präsidenten der USA im 20. Jahrhundert -, das das langjährige wissenschaftliche Interesse Peter Schäfers an der zentralen Geschichte des Präsidentenamtes in den Vereinigten Staaten reflektierte. Im Sommersemester 1992 vertrat er dann den renommierten Lehrstuhl für Anglo-Amerikanische Geschichte am Historischen Seminar der Universität Köln nach der Emeritierung von Erich Angermann; ein Beweis der breiten Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen.

1993 wurde Peter Schäfer dann zum Universitätsprofessor für Neue Geschichte mit dem Schwerpunkt Geschichte Nordamerikas berufen. Fast zeitgleich erschien sein Band Die Präsidenten der USA in Lebensbildern, eine logische Erweiterung seines zuvor noch auf das 20. Jahrhundert begrenzten Interesses am Amt des US-Präsidenten. Zusammengelesen ergeben die Einzelporträts der Amtsinhaber ein lebendiges Gesamtpanorama amerikanischer Geschichte, in dem aus sozialhistorischer Perspektive immer wieder gesellschaftliche Schwachstellen beleuchtet, aber auch deren Korrektive aufgezeigt werden. Das gleiche Jahr sah dann auch die Herausgabe einer Publikation über eine im deutschamerikanischen Kontext sehr wichtige Persönlichkeit, den an der Alma mater Jenensis promovierten Emigranten Franz Lieber, der in den späten 1820er Jahren über England in die Vereinigten Staaten kam, dort zu einem Mitbegründer der Politikwissenschaft wurde und darüber hinaus einen zentralen Beitrag zur Entwicklung des Landkriegsrechts leistete. Vor seiner Verabschiedung in den Ruhestand im Sommersemester 1996 nahm Schäfer dann noch eine Gastprofessur am Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Göttingen wahr.

Es ist zweifellos wohlverdient – und gezielt formuliert – gewesen, dass Jürgen Heideking den Emeritus zu seiner Verabschiedung durch einen Vortrag ehrte, in dessen Kontext er ihm “im Namen aller deutschen Amerikahistoriker … für den hervorragenden Beitrag, den er über einen langen Zeitraum, teilweise unter schwierigen Bedingungen, zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit amerikanischer Geschichte, Politik und Kultur geleistet hat”, dankte.

Aber mit Peter Schäfers Emeritierung war seine rege wissenschaftliche Tätigkeit keineswegs beendet. Bereits 1998 legte er uns eine große Studie zur Alltagsgeschichte der Vereinigten Staaten von der Kolonialzeit bis zur Gegenwart vor, die in souveräner Art und Weise die Komplexität dieser Materie so weit zu verdichten vermochte, dass eine anschauliche und nachvollziehbare Narration der amerikanischen Nationalgeschichte die Folge war.

Überhaupt war die Verständlichkeit seiner Texte – überblickt man sein Gesamtoeuvre – ein stets von ihm angestrebtes Kriterium, mit dem er sich angenehm von so manchen überfrachteten historiographischen Werken abhob.

Als beliebter akademischer Lehrer hat Peter Schäfer ganze Generationen von Studierenden für sein Feld begeistert; ein Ruf, der noch heute an unserer Universität und in ihrer Umgebung spürbar ist. Immer wieder wurde er von ehemaligen Studierenden besucht und ich selbst war auf einem solchen Treffen beeindruckt von der Wertschätzung, die ihm aus ihren Reihen entgegengebracht wurde (und die er auch offen erwiderte). In seiner höchst lesenswerten Autobiographie “Schreiben Sie das auf, Herr Schäfer!” Erinnerungen eines Historikers an seine Universitäten in Berlin und Jena, die 2007 veröffentlicht wurde, wird anschaulich verdeutlicht, welch ein beeindruckendes Leben Peter Schäfer geführt hat, das nun leider am 29. Februar 2016 durch eine schwere Krankheit beendet wurde.

Prof. Dr. Jörg Nagler